Ruhrgesichter:Sie haben sich 2013 einen Totenkopfring an den Finger gesteckt und eine Lederjacke angezogen -die dunkle Brille war ja schon da- und zahlreiche Hits der Rock- und Popszene neu aufgenommen, um dann beim Folgealbum „Schwarz blüht der Enzian“ Ihre eigenen größten Erfolge wie „Wir lagen vor Madagaskar“, „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ oder „Ja, ja, die Katja, die hat ja“ mit rammsteinartiger Rockmusik zu verbinden. Wie kam es zu diesem rasanten Stilwechsel? Nur ein PR-Gag oder mehr?Heino:Ich wollte – ganz einfach erklärt – Musik für junge Leute machen. Viele jüngere Menschen kamen nach meinen Konzerten auf mich zu und meinten „Heino, sing doch mal was für uns“. Dann habe ich mir Gedanken gemacht, welche Titel ich so präsentieren kann. Und wie man gesehen hat, es war ein großer Erfolg.
„Es wurde sowohl für Rammstein als auch für mich ein
sensationeller Auftritt, der mir ewig in Erinnerung bleiben wird.“
Ruhrgesichter:Unser persönliches Lieblingsvideo von Ihnen ist und bleibt „Schwarz blüht der Enzian“ mit der Band aus Gotthilf Fischer, Stefan Mross und den Wildecker Herzbuben. Ein Lied, das seltsamerweise in jedem Gewand funktioniert mit soviel Humor und Augenzwinkern zu präsentieren: Großartig. Eine Stilikone und ein Gesamtkunstwerk waren Sie schon zuvor, aber dieses Video beförderte Sie für uns in die ewige Ruhmeshalle deutschsprachiger Musik. Sie sind 2013 beim Wacken Festival mit Rammstein aufgetreten. Sie sollen nach dem Auftritt beim Wacken gesagt haben: „Nie zuvor bin ich von jungen Leuten mit solchem Respekt behandelt worden.“ Wie haben Sie das Festival erlebt? Heino:Dazu kann ich nur Folgendes sagen. Als die Jungs von Rammstein bei mir angerufen haben und mich gefragt haben, ob ich mir vorstellen könnte mit ihnen in Wacken aufzutreten, habe ich natürlich sofort gesagt „Klar kann ich mir das vorstellen. Ich bin dabei“. Es wurde sowohl für Rammstein als auch für mich ein sensationeller Auftritt, der mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Musik kennt eben keine Grenzen und Musik verbindet. Das war schon früher so, ist auch heute so und wird auch in Zukunft so sein.Ruhrgesichter:Sie sind von jungen Leuten lange geschmäht worden. Was ist das für ein Gefühl, wenn heutzutage junge Menschen plötzlich ein Autogramm oder Selfie mit Ihnen wollen?Heino:Ein tolles Gefühl. Als ich 1965 von Ralf Bendix für die Schallplatte entdeckt wurde, hätte ich mir niemals gedacht dass ich nach 60 Jahren noch immer aktiv sein werde als Sänger. Wer denkt als junger Mensch schon groß nach was in 60 Jahren ist. Früher haben mich die jungen Leute um ein Autogramm für ihre Oma oder Opa gebeten, heute wollen Sie selbst ein Selfie. So ändern sich die Zeiten.
„Nutten, Koks und frische Erdbeeren. Ja, ja. Das gab es schon
früher alles. Nur die Erdbeeren waren immer schwer zu bekommen.“
Ruhrgesichter:Da vielen unserer Leser die „Volksmusik – Szene“ fremd ist und Sie das Business nun seit vielen Jahrzehnten kennen: Gibt es auch in der Volksmusik das „wilde Rockerleben“ mit Groupies, Drogen und zerstörten Hotelzimmern?Heino:Nutten, Koks und frische Erdbeeren. Ja, ja. Das gab es schon früher alles. Nur die Erdbeeren waren immer schwer zu bekommen. (lacht)Ruhrgesichter:Sie selbst hatten immer ein „sauberes“, fast biederes Image. War das Teil des Konzeptes oder war es tatsächlich nie Ihr Ding, es richtig krachen zu lassen?Heino:Ich war und bin diszipliniert. Sehr viele meiner Kollegen von damals sind heute entweder weg vom Fenster, oder einfach nicht mehr am Leben, weil sie ihr Leben versoffen hatten und mit der Branche und dem ganzen Drumherum nicht umgehen konnten. Zum Teil hatten sie aber auch schlechte Leute um sich herum gehabt. Mein Produzent war Doktor Volkswirt, mein Texter war Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht und mein Arrangeur war damals der musikalische Direktor des damals weltbesten Orchesters – dem Kurt Edelhagen Orchester. Ich hätte mich auch niemals getraut, wegen Alkohol am Vortag auch nur 10 Minuten zu spät zu kommen. Nur mit Disziplin kommt man langfristig weiter. Nachhaltigkeit. Sonst ist das wie eine Sternschnuppe, die schnell verblasst.Ruhrgesichter:Sie sind mittlerweile 82 Jahre alt: Werden Sie des Singens und Reisens nicht müde?Heino:Für mich ist das Tourneeleben ein Jungbrunnen. Mein Team, mein Publikum, verschiedene Städte. Großartig. Heute reise ich so angenehm wie möglich. Relaxe mich während der Fahrt. Und ja, das Singen ist mein größtes Hobby. Ich mache also das, was mir Spaß macht. Und was Spaß macht, tut einem gut. Ich denke, so falsch mache ich das dann nicht. (lacht)
„Die Stradivari ist für mehr als 6 Millionen Euro versichert und hat
während der gesamten Tournee einen Bodyguard.“
Ruhrgesichter:Nun geht es erneut auf Tournee: „Heino goes Klassik - Ein deutscher Liederabend" mit dem Violin-Virtuosen Yury Revich und dem Organisten Franz Lambert. Was erwartet die Besucher?Heino:Ein schönes Konzert. Ich muss wirklich sagen, dass diese Tournee ein Herzenswunsch war. Ich habe früher ja mit einem klassischen Gesangsstudium angefangen, wollte Opernsänger werden. Dann wurde ich eben für die Schallplatte entdeckt und meine Plattenfirma hat mich 2 Jahrzehnte an das Volkslied gebunden, was sehr erfolgreich für alle Seiten lief. Jetzt möchte ich dem Publikum nochmal beweisen, dass ich auch „schön“ singen kann und dass auch Titel von Brahms, Schubert, Mozart, Beethoven, Bach, Tschaikowski für mich kein Problem sind. Natürlich dürfen meine Hits wie „Enzian, Mohikaner, Schwarze Barbara“ nicht fehlen und auch die Rock Covers von Rammstein, Nena und den Ärzten werden ich singen. Im klassischen Gewand natürlich. Dazu hab ich mir Yury Revich als besonderen Stargast eingeladen, der mit seiner Stradivari die schwierigsten und schönsten Stücke auf der Violine spielen wird. Die Stradivari ist für mehr als 6 Millionen Euro versichert und hat während der gesamten Tournee einen Bodyguard. Und mein lieber Freund Franz Lambert wird auf seiner Wersi-Orgel ein Traumorchester zaubern, da wir ja coronabedingt nicht mit ganz großem Orchester auftreten können. Dazu kommt ein Gitarrist, ein Pianist und zwei Chorsängerinnen. Als Moderatorin haben wir Schauspielerin Nicole Mieth (Verbotene Liebe) mit an Bord, sie ist die Lebensgefährtin meines Managers Helmut Werner und wird das Publikum durch den Abend führen.Ruhrgesichter:Die Düsseldorfer Tonhalle fand den Titel „Ein deutscher Liederabend“ zu „tümelnd“ und verwies auf die städtische Richtlinie: „Städtische Räume sind kein Ort für Hetze.“ Nach einem Streit mit Ihrem Management und einem Machtwort des Oberbürgermeisters hat die Tonhalle dann doch die Tournee- Plakate aufgehängt und das Konzert auf der Homepage und im Programmheft beworben. Der Streit ist beigelegt, die Situation befriedet, doch auch in „Friedenszeiten“ drängt sich die Frage auf: Wenn ein Liederabend ein gewaltiges Rauschen im Medienblätterwald verursacht, wenn er „deutsch“ ist: Was sagt das über den Zustand von Gesellschaft und Kunst aus?Heino:Menschen mit einem derart schlechten Gedankengut sind Gott sei Dank in der Minderheit. Es war absurd uns das Wort „deutsch“ aus dem Titel verbieten zu wollen. Beim selben Intendanten finden „italienische Gala- Nächte“ oder „griechische Liederabende“ statt. Aber ein „deutscher Liederabend“, das ist ein Problem. Da fragt man sich schon, was in einem solchen Kopf vorgeht. Dr. Keller, der Oberbürgermeister von Düsseldorf hat aber innerhalb von 24 Stunden den Intendanten Becker in seine Schranken gewiesen. Das war auch notwendig. Wir hätten sonst ganz einfach die Location gewechselt. Nachtragend sind wir aber nicht, für mich ist das Thema erledigt. Ruhrgesichter:Drafi Deutscher hat sich tatsächlich mit seinem Hut beerdigen lassen. Sie haben mal gesagt, dass Sie mit Sonnenbrille beerdigt werden wollen. Werfen Sie im Alter häufiger mal einen spekulativen Blick über den Rand des Lebens oder spielt der Tod für Sie eine untergeordnete Rolle?Heino:Ach, ich lebe schon ganz gerne und ich hoffe, dass der liebe Gott mich noch lange auf dieser schönen Welt lässt. Auch um ein paar Leute noch mit meiner Musik zu nerven, aber vor allem denen, die Heino gerne hören, noch etwas Freude zu bereiten. Ruhrgesichter: Sind Sie ein gläubiger Mensch?Heino:Hannelore und ich sind sehr gläubig. Unser Schutzbaron ist der Heilige Antonius. Ein Bild von ihm trage ich stets bei mir. Da fühle ich mich sicher. Wir beten auch jeden Abend vor dem Einschlafen. Das ist ein lieb gewonnenes Ritual.
„Für mich ist es unverständlich, wieso man nicht zu den
Volksliedern steht.“
Ruhrgesichter:Sie sind berühmt geworden mit Fahrten- und Volksliedern, die musikalisch meist in ein Schlagerkleid gewandet wurden. Diese Pflege des deutschen Liedgutes ist Ihnen oft vorgehalten worden, ob sie nun „O du schöner Westerwald“ oder das Lied der Schlesier „O du Heimat, lieb und traut“ gesungen haben. Als jemand, der sich öffentlich wenig politisch geäußert hat und wenn, dann eher im Umfeld der SPD oder der Nichtwähler gesichtet wurde und sich für ein Verbot der AfD ausgesprochen hat: Haben Sie die Kritik verstanden oder sahen Sie die Vorhaltungen eher als Ausdruck des gestörten Verhältnisses der Deutschen zu ihrem Volk und Land? Heino:Für mich ist es unverständlich, wieso man nicht zu den Volksliedern steht. In so ziemlich jedem anderen europäischen Land ist das nämlich so. Schauen Sie nur mal die Italiener oder die Franzosen an. Wieso sollten wir uns unserer Lieder wegen schämen? Das Volkslied wird bestehen bleiben, da sind Rock, Pop, Metal längst kein Thema mehr. Wie oft bin ich deswegen belächelt oder beschimpft worden. Aber das Volkslied muss bewahrt werden. Zeitlebens habe ich mich dafür eingesetzt und mache es bis zum heutigen Tage mit voller Überzeugung.Ruhrgesichter:Jan Delay hat Sie 2014 in einem Interview als „Nazi“ bezeichnet und durfte Ihnen dafür 20.000 Euro Schadenersatz zahlen. Wie bewerten Sie den heute teils inflationären Gebrauch des Begriffes „Nazi“ für Menschen mit einer konservativen Meinung?Heino:Ach, dieser Mensch hat doch wenig Ahnung, wenn er solche unfassbaren Aussagen trifft. Er hat davon einfach keine Ahnung. Ich bin 1938 geboren worden, mein Vater ist im Krieg gefallen, meine Mutter, meine Schwester und ich wurden aus Düsseldorf ausgebombt und mussten fliehen. Hätte er diese Zeiten – wie ich – miterlebt, dann könnte er sich zu Wort melden. Würde aber auch gleichzeitig ganz anders mit diesem Wort umgehen und hätte ein anderes Denken. Im Übrigen habe ich diese 20.000 Euro damals gespendet und natürlich nicht für mich behalten. Ruhrgesichter:Über Sie haben Generationen von Komikern mehr oder weniger gelungene Witze gemacht. Ist das immer an Ihnen abgeperlt, haben Sie sich oft ungerecht behandelt gefühlt oder mitgelacht? Heino:Ach das macht mir nichts aus. Das ist ein Teil meines Erfolges. Auch heute kommen noch viele Zuseher mit Heino-Perücken und Sonnenbrille in meine Konzerte. Besser sie imitieren HEINO als einen anderen.Ruhrgesichter: Haben Sie ein Lieblingslied? Heino:Es gibt zu viele schöne deutsche Lieder und Melodien, als das man sich auf einen Titel festlegen könnte. Die Palette ist zu groß. Leider gibt es heutzutage keine guten großen Komponisten mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was heute da alles so produziert wird, auch noch in 60 Jahren noch jemand hören wird. Dafür sind die meisten sogenannten Musiker zu unmusikalisch. Können teilweise ja nicht mal Noten lesen. Das ist leider sehr schade. Wir brauchen wieder gute Komponisten.Ruhrgesichter:Gibt es denn einen Liedtext, der Ihnen außerordentlich ans Herz gewachsen ist?Heino:Ich trage fast alle Lieder, die ich in meiner Karriere gesungen habe in meinem Herzen und kann auch die meisten Texte noch auswendig. Fast alle der über 1200 Titel, die ich vertont habe, sind mir ans Herz gewachsen. Da wäre es unfair nur einen davon herauszupicken. Ruhrgesichter:In einer über sechzigjährigen Karriere ist Ihnen sicherlich viel Gutes und Schlechtes widerfahren. Was ist Ihnen als positivstes und schlimmstes Ereignis (außer diesem Interview :)) in Erinnerung geblieben?Heino:Ein Highlight war der Auftritt mit Rammstein in Wacken, ein anderes Highlight war, dass ich bei Dreharbeiten zum Film „Blau blüht der Enzian“ meine heutige Frau Hannelore kennengelernt habe. Und die schlechten Sachen spielen für mich keine Rolle, die habe ich vergessen, da ich mich ungern mit negativen Sachen beschäftige. Das kann ich auch nur jedem anderen raten.Ruhrgesichter:Gibt es eine Frage, die Sie schon immer mal beantworten wollten, die Ihnen aber noch nie jemand in einem Interview gestellt hat? Dann haben Sie nun die Gelegenheit dazu. Heino:Ja gerne: „Wo gibt’s denn die Karten zu Ihrer Tournee zu kaufen?“ „In allen bekannten Vorverkaufsstellen und auf www.eventim.de“ . Man muss die Chance nutzen (lacht). Ich würde mich auf jeden Fall freuen, möglichst viele Leser von „Ruhrgesichter“ bei meinen Konzerten zu treffen. Vielen Dank für das Interview.Ruhrgesichter: Wir danken und wünschen eine erfolgreiche Tournee. Mehr Infos unter. www.heino.de