RuhrGesichter Bereits zum zehnten Mal wackelte die lauteste Schützenhalle des Sauerlandes: Das Metal Diver Festival feierte Jubiläum und holte auch in diesem Jahr einige Metal – Schwergewichte nach Marsberg zur Nackenbrecher-Sause. Man merkte erneut bei der Organisation dieser Ausgabe des Festivals, dass alles beim Metal Diver e.V. wirklich gut eingespielt ist und ineinander greift: Von den Shuttlebussen, die viele Fans aus allen Richtungen in das sauerländische Zentrum des Schwermetalls karrten, über den Einlass bis zur praktischen Umsetzung von Line Up & Running Order in ein lebendiges Festival. Dazu guter Sound, solides Licht und eine starke Atmosphäre.

Metal Diver Festival                                                                    

Jubiläum: Festival Nr. 10 & kein bisschen leise

Ein   kleiner   Kritikpunkt:   Wie   bereits   in   den   Vorjahren   (und   ebenso   von   vielen anderen   Festivals   bekannt)   war   die   Konservenmusik   zwischen   den   Auftritten streckenweise   etwas   zu   laut   (vielleicht   werden   wir   aber   auch   nur   allmählich alt…).   Das   braucht   niemand   wirklich,   wenn   man   vom   Startschuss   um   17:00   Uhr bis   deutlich   nach   01:00   Uhr   nachts   die   geballte   Power   von   sechs   Livebands   auf die   Ohren   bekommt,   es   keine   Ausweichräume   gibt   und   draußen   Pinguine   und Eisbären   im   Kreis   tanzen,   um   nicht   festzufrieren;   denn   es   wurde   wie   üblich pünktlich zum Festival noch einmal kalt im Sauerland. Egal:   Die   Currywurst   schmeckte,   wie   Currywurst   schmecken   muss;   das   Bier   floss in   Strömen,   wie   Bier   fließen   muss;   der   Kaffee   tat   zwischendurch,   was   Kaffee   tun muss;   Beerenweine   hatte   eine   eigene   „Lounge“   herbeigezaubert   und   die   Metaller in   der   seit   langem   restlos   ausverkauften   Hütte   waren   wie   stets   ein   weitestgehend friedliches,   freundliches   Feiervölkchen;   das   dafür   Sorge   trug,   dass   am   Folgetag nicht   soviel   Bier   wieder   aus   der   Halle   getragen   werden   musste.   Die   Ergebnisse dieser   guten   Tat   merkte   man   einigen   Besuchern   auch   schon   recht   früh   an:   Das mag   zwar   unvernünftig   sein,   will   man   doch   die   Headliner   noch   stehend   erleben, aber    vernünftig    ist    bekanntlich    wie    tot.    Nur    früher…    Und    wie    es    der Kunsthistoriker     Jörg     Scheller     treffend     formulierte:     „Metalfans     sind     ein angenehmes    Publikum.    Sie    sind    wirklich    an    der    Musik    interessiert,    weniger gewaltbereit als Hip-Hopper und im Bierkonsum zumindest geübt.“ Zum   Wesentlichen:   Die   Halle   war   bereits   sehr   gut   gefüllt,   als   die   Bocholter   True- Metaller    von    WIZARD    um    17    Uhr    das    Festival    musikalisch    eröffneten.    Seit Jahrzehnten   stehen   die   Zauberer   um   die   Legion   of   Doom   auf   der   Bühne   und erfreuten   auch   in   Marsberg   die   Fans   mit   klassischem,   knackig-zeitlosen   Heavy Metal ohne Angst vor Klischees mit einigen Speedmetal Torpedos. Das   abwechslungsreiche   Set   der   Band   zwischen   schweren,   epischen   Hymnen   und nach   vorn   stürmenden   Metalgewittern   wurde   von   „Defenders   of   Metal“   beendet und hat unseren furchtbar verwöhnten Kritikerohren ausgesprochen gut gefallen. Nach   einer   kurzen   Pause   schaute   die   fantastisch   aufgelegte   Britta   Görtz,   die bereits   mit   Cripper   im   Jahr   2018   auf   dem   5.   Festival   spielte,   mit   ihrer   aktuellen Band   HIRAES   für   ein   dreiviertel   Stündchen   in   Marsberg   vorbei.   Als   Türöffner fungierte   das   fulminante   „Through   the   Storm“,   es   folgte   „About   Lies“.   Es   wurde gegrowlt, bis die Hütte unter dem Melodic-Death-Massaker bebte. Was   uns   auch   gut   gefiel   war,   dass   die   Musik   zwar   relativ   eingängig   drauflos stürmte,    dabei    aber    zu    keinem    Zeitpunkt    plump    oder    gar    blöde    daherkam, sondern   stets   bei   aller   Schärfe   und   Stahlhärte   eine   teils   melancholische   Tiefe   und spannende   Komplexität   aufwies.   Und   Britta   Görtz   ist   ohnehin   eine   Klasse   für   sich. Hiraes   spielten   einen   guten   Querschnitt   ihrer   Alben   Solitary   und   Dormant.   Mit einer   routinierten,   aber   begeisternden   Performance   nahmen   sie   gefühlt   auch   den letzten   in   der   Halle   mit   auf   die   Melodic-Death-Reise.   Für   uns   schon   jetzt   ein persönliches Highlight des Festivals. Die   Band   IRON   SAVIOR   aus   Hamburg   kombiniert   bereits   seit   1996   energischen Power   Metal   mit   erdigem   Hardrock.   Frontmann   Piet   Sielck   führte   seine   Band   und das   Publikum   unterhaltsam   durch   das   eiserne   Universum   der   Band,   natürlich fehlte    auch    die    Überhymne    „Heavy    Metal    Never    Dies“    nicht    im    bunten musikalischen Reigen. Eigentlich    sollten    nun    die    BROTHERS    OF    METAL    das    Sauerland    im    Sturm nehmen,   allerdings   sagte   die   Bookingagentur   im   Namen   der   Band   alle   Auftritte   in der   ersten   Jahreshälfte   aus   privaten   Gründen   ab.   Warum,   wieso,   weshalb   genau blieb ihr Geheimnis. Aber   die   Tieftaucher   vom   Metal   Diver   e.V.   haben   rechtzeitig   einen   würdigen Ersatz   an   Land   gezogen:   RHAPSODY   OF   FIRE   aus   Italien   spielten   75   Minuten epischen   Fantasy-Power   Metal,   der   vom   Publikum   begeistert   verstoffwechselt wurde und qualitativ aus dem obersten Regal kam. Rhapsody   of   Fire   sind   die   Geschichtenerzähler   des   Power   Metal.   Das   einzige,   was fehlte,   war   ein   zünftiges   Lagerfeuer   in   der   Mitte   der   Schützenhalle,   um   das   sich die    tapferen    Recken    hätten    versammeln    können.    Nach    „Chains    of    Destiny“, „Challenge   the   Wind“,   „Rain   of   Fury“   wurde   auch   das   Duett   „Wizard´s   Dream“ mit    der    eingespielten    Stimme    vom    2015    verstorbenen    Christopher    Lee    zum Besten   gegeben;   als   Konservenduett   hätte   es   das   für   uns   nicht   gebraucht,   aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Apropos   Geschmack:   Nach   dem   Set   waren   unsere   metallischen   Ohren   mit   Power Metal    recht    gut    gesättigt,    so    dass    wir    die    Gelegenheiten    nutzten    zwecks anderweitiger   Sättigung   mal   zu   schauen,   ob   es   den   Bratwürstchen   am   Grillstand der Kulinarikexperten vor der Halle auch gut geht… Mit   den   Gelsenkirchenern   SODOM   folgten   dann   die   legendären   Ruhrpott-Thrasher als    Headliner    dieses    bemerkenswerten    Festivals.    Die    Band    rund    um    Tom Angelripper   ballert   seit   über   vier   Jahrzehnten   auf   höchstem   Niveau   brutalen Thrash    Metal    zwischen    alle    geneigten    und    ungeneigten    Ohren;    sie    ebneten damals   den   Weg   für   diese   aggressive   Spielart   des   Metal   in   Deutschland.   In Marsberg   bebte   der   Boden,   die   Ohren   schmerzten,   das   schwarze   Herz   hüpfte   und die   Meute   im   Publikum   feierte   euphorisch.   Die   Schützenhalle   zu   Marsberg   sah jetzt   nicht   nur   aus   wie   in   den   80ern,   sie   hörte   sich   nun   auch   an   wie   die   glorreiche 80er   Jahre   Ruhrpottzeit   und   die   Hütte   roch   jetzt   sogar   wie   die   Zeche   Carl   zu   den wildesten Zeiten. Trotz   der   Lautstärke   war   der   Sound   wirklich   gut   und   Sodom   machte   Oldschool   -     Sodom   –   Sachen.   Geht   auch   nach   all   den   Jahren   gut   ins   Ohr,   bleibt   im   Kopf   und sorgt   dafür,   dass   das   Klingeln   im   Ohr   die   Erinnerung   an   ein   großartiges   Konzert lange    erhält.    Von    „Napalm    in    the    Morning“    über    „Nuclear    Winter“    und „Ausgebombt“   bis   zum   finalen   „Bombenhagel“:   Solange   sich   Sodom   nicht   um   die Teilnahme beim ESC bewerben, werden wir sie immer lieben. Großartig! Das   Problem   bei   Konzerten   hoch   oben   auf   einem   sauerländer   Berg   ist,   dass   auch der   Fahrer   des   roten   Dacia   besser   die   Handbremse   angezogen   hätte.   Irgendwann bei   den   Sodom   Eruptionen   hatte   sich   das   Gefährt   offenbar   selbstständig   gemacht und   rollte   Richtung   Brilon.   Ob   der   Fahrer   seine   Karre   pünktlich   zum   Festivalende wieder    einfangen    konnte,    bleibt    wohl    für    alle    außer    dem    Fahrer    eines    der zahlreichen Mysterien Marsbergs. Der   traditionelle   Rausschmeißer   oder   neudeutsch   „Late-Night-Act“   kletterte   dann bereits   deutlich   nach   Mitternacht   auf   die   Bühne,   um   vor   einem   noch   sehr   vollen Haus   die   letzten   Energiereserven   aus   dem   Publikum   zu   schütteln:   Die   Schotten HELLRIPPER   machten   mit   ihrem   wilden   Speedmetal   mit   einem   höllischen   Hauch Finsternis   keine   halben   Sachen   und   rissen   die   von   SODOM   übriggelassenen   Reste der    Schützenhalle    bis    auf    die    Grundmauern    ab.    Eine    mächtige    Wand    aus Riffziegeln   stürzte   ins   Publikum,   die   Axtmänner   hingen   über   ihren   Gitarren,   dass es   jeden   Orthopäden   grausen   muss,   das   Trommeltier   zerlegte   die   Felle   und darüber rollte Welle um Welle die Stimme von Mr. McBain. Das war nicht filigran, das war ein schwarzes, brutales Brett. Das   Klingeln   im   Ohr   unseres   Reporters   vor   Ort   wurde   zwischen   den   vielsagenden Songtiteln   „From   Hell“,   „Nunfucking   Armageddon   666““   und   „Bastard   of   Hades“ zum   Ertönen   einer   frisch   entweihten   Kirchenglocke.   All   diese   Konzertkritik-Prosa meint eigentlich nur: Es hat uns gut gefallen. Das     war     wunderbar     wildes     Chaos     direkt     von     der     Überholspur,     der bandgewordene     Bleifuß     unter     fachkundiger     musikalischer     Leitung     von Mastermind,   Gitarrist   und   Sänger   James   McBain   aktivierte   auch   noch   die   letzten Lebensgeister   der   Fans:   Glücklich   all   jene,   die   sich   gemütlich   dösend   danach   vom Shuttlebus   danach   gen   Heimat   kutschieren   lassen   konnten   und   keine   längere Autofahrt mehr vor der Nase hatten. Wir   rufen:   'All   Hail   The   Goat',   bedanken   uns   artig   für   diesen   amtlichen   Abriss, werden   das   Metal   Diver   Jubiläumsfestival   in   allerbester   Erinnerung   behalten   und legen   allen   Freunden   des   gepflegten   Dampfhammers   ans   Herz,   dieses   kleine, aber   sehr   feine   Festival   auf   dem   Schirm   zu   behalten:   Denn   nach   dem   Metal   Diver 10 ist vor dem Metal Diver 11.