RuhrGesichter Fadinard will heiraten. Am Morgen der Hochzeit reitet er aus. Doch sein Pferd frisst den Hut von Madame Beauperthuis. Das ist eine Katastrophe, denn wenn sie ohne Hut heimkommt, fliegt ihr Verhältnis mit einem Polizisten auf. Also macht sich Fadinard auf die Suche nach einem passenden Ersatzhut. So nimmt das Chaos seinen Lauf. Im reichlich wilden, fast dreistündigen Operetten Musical inszenierte Herbert Fritsch die Vorlage von Eugéne Labich „Ein Florentinerhut“ in einer Bearbeitung von Sabrina Zwach als Slapstick – Komödie.

Pferd frisst Hut                                                                    

Wildes Musical mit Musik von Herbert Grönemeyer

Bei     der     ausverkauften     Deutschlandpremiere     anlässlich     der     diesjährigen Ruhrtriennale   war   die   Kraftzentrale   im   Duisburger   Landschaftspark   Nord   wie erwartet     restlos     ausverkauft.     Ehemals     die     Kraftzentrale     des     Meidericher Hüttenwerkes   wurde   die   Halle   1965   stillgelegt   und   1997   als   Veranstaltungsort neu   eröffnet.   In   dieser   spannenden   Umgebung   und   von   der   Ruhrtriennale   stets mit    qualitativ    hochwertigsten    Aufführungen    verwöhnt,    war    das    Publikum gespannt auf den großen Klamauk, der angekündigt war. Vorab:   Das   Ensemble   spielte   brillant,   allen   voran   Christopher   Nell   als   Fadinard, dann   Hubert   Wild,   Florian   Anderer,   Klaus   Brömmelmeier,   Sarah   Bauerett,   Jasmin Etezadzadeh;   echte   Ausfälle   gab   es   keine,   das   Stück   war   in   jeder   Rolle   stark besetzt.      Die   Kompositionen   und   Songtexte   stammten   von   Herbert   Grönemeyer; textlich   war   das   für   Grönemeyer   –   Kenner   erwartbar   knapp   gehalten   und   die Reime    teils    solange    zurechtgebogen,    bis    sie    passten.    Spitze    war,    dass    die Protagonisten    teils    hemmungslos    “Herbie”    parodieren    durften.    Es    spielte    ein Orchester,    es    sang    ein    Chor    und    alle    suchten    in    dem    rasanten    Stück    den Florentinerhut.   Grönemeyer   gelang   hier   der   eine   oder   Gassenhauer,   eine   absurde Szene   jagte   die   nächste,   das   war   teils   wildes,   knallbuntes   Anarchotheater   vor einem kargen, funktionalen Bühnenbild, teils purer Slapstick. Im   Bühnenbild   konnte   neben   zehn   weiteren   Türen   selbstredend   nicht   auf   eine Drehtür    verzichtet    werden:    es    verging    keine    Szene,    in    der    nicht    Türen zuschlugen,    die    Akteure    durch    die    Drehtür    schleuderten,    sich    die    Finger klemmten,    gegen    verschlossene    Türen    rannten    oder    plötzlich    die    Klinken abrissen;    das    funktionierte    tatsächlich    auch    im    Jahr    2024    vor    routiniertem Thearterpublikum    immer    wieder    auf’s    Neue    und    war    dank    der    großartigen Akteure wirklich auf eine alberne Art sehr unterhalsam. Die   Texte   waren   teils   witzig,   teils   zotig   (und   witzig)   und   manchmal   einfach   nur lahm.   Und   das   führt   uns   zur   Kernkritik   an   diesem   Stück:   Bei   aller   Rasanz   und Überdrehtheit,   bei   allem   rauschhaften   Spott   und   Hochgeschwindigkeitsklamauk im   stets   gleichen   Takt   und   Niveau   waren   knapp   drei   Stunden   Spielzeit   zuzüglich einer langen Pause viel  zu lang für diesen Stoff. Schenkt    Sabrina    Zwach    einen    Stift.    Einen    roten.    Und    dann    das    Stück zusammenstreichen   auf   neunzig   bis   hundert   Minuten   anstelle   der   recht   exakt zwei     Stunden     und     vierzig     Minuten.     Dann     hätte     das     Werk     mit     dieser herausragenden   Besetzung   in   der   Bewertung   zehn   von   zehn   Florentinerhüte verdient,   doch   so   schlichen   sich   vor   allem   in   den   ersten   eineinhalb   Stunden ungemütliche,   zähe,   mutlose   und   hutlose   Längen   ein   und   der   eigentlich   herrliche Blödsinn   glitt   an   Teilen   des   Publikums   vorbei.   Im   Zuschauerraum   saßen   einige Mitbesucher,    die    ganz    offensichtlich    gerne    zwischendurch    mal    eine    rauchen gegangen   wären   und   dabei   hätten   sicher   sein   können,   bei   der   Rückkehr   nichts wesentliches verpasst zu haben. Das   lag   nicht   am   hervorragenden   Schauspiel-   und   Opernensemble   mit   Mut   zur Albernheit   und   zu   wildesten   Verrenkungen   oder   am   wundervollen   Orchester. Sowohl    die    Chorpassagen    als    auch    der    Sologesang    waren    darüber    hinaus stimmlich   stets   auf   den   Punkt.   Allein   für   die   Auftritte   der   umwerfenden   Sarah Bauerett   und   des   gehetzten   Christopher   Nell,   der   sang   und   spielte,   dass   es   eine Freude   war,   lohnte   sich   der   Besuch   des   Anarchostücks,   das   im   Ungemach   begann und   als   musiktheatergewordenes   Roadmovie   auf   dem   Weg   des   zunehmenden Chaos   geradewegs   in   ein   grandioses   Durcheinander   führte,   in   dem   ganz   kurz   so etwas wie ein Happy End aufleuchtete, aber dann… Fazit:   Grandioser,   absurder   Nonsens,   stark   inszeniert   mit   herausragend   guten Protagonisten.   Und   am   Ende   durfte   sich   auch   Herbert   Grönemeyer   auf   der   Bühne den verdienten Applaus abholen. Aber: Für das Slapstick - Dauerfeuer ist dieses Stück viel zu lang.  
© Foto: Thomas Aurin
© Foto: Thomas Aurin