Ein Gespräch mit Anna Stegmann
Getroffen
haben
wir
Anna
Stegmann
im
Rahmen
eines
Konzertes
ihres
auf
Renaissance-Musik
spezialisierten
Ensembles
„The
Royal
Wind
Music“
im
Rahmen
der
Konzertreihe
„Musica
Sacra“
im
Kloster
Oelinghausen.
Das
Ensemble
spielt
ausschließlich
auf
„Blockflöten“,
angefangen
von
der
kleinen
Sopranino
bis
zum
3
Meter
großen
Subcontrabass.
Für
Frau
Stegmann,
die
in
Holzen
–einem
kleinen,
gemütlichen
Stadtteil
von
Arnsberg-
aufgewachsen
ist
war
dies
mit
dem
preisgekrönten
und
international
besetzten
dreizehnköpfigen
Ensemble
aus
Amsterdam
ein
Besuch in ihrer sauerländer Heimat.
Von österreichischen Birnbäumen
und reisenden Orgeln
RG:
Hallo
Frau
Stegmann.
Zunächst
die
wichtigste
Frage:
Wenn
man
die
Augen
schließt
und
der
Musik
von
Royal
Wind
Music
lauscht,
hat
man
das
Gefühl
in
einem
Orgelkonzert
zu
sitzen.
Auch
optisch
erinnern
mich
Ihre
Instrumente
nicht
an
meine
Blockflöte
aus
dem
Schulunterricht. Bitte lüften Sie für Ruhrgesichter das „Geheimnis der Blockflöten“.
AS:
Die
Instrumente
auf
denen
wir
spielen,
sind
tatsächlich
alles
Blockflöten.
Die
meisten
kennen
die
Sopran
-
Blockflöten
aus
ihrer
Schulzeit,
auf
denen
spielen
wir
auch;
allerdings
sehen
unsere
Blockflöten
etwas
anders
aus.
Die
Bohrungen
sind
beispielsweise
sehr
groß
und
zylindrisch;
daher
haben
die
Instrumente
einen
sehr
lauten
Klang.
Dies
und
andere
spezielle
Eigenschaften
macht
unser
Ensemble
eigentlich
zu
einer
transportablen
Orgel.
Denn
wie
auf
einer
Kirchenorgel
können
auch
wir
mit
verschiedenen
Registern
spielen.
Die
Sopranflöte
ist
halb
so
groß
wie
die
Tenorflöte,
die
Tenorflöte
ist
dadurch
exakt
eine
Oktave
tiefer.
Der
C-Bass
ist
z.B.
doppelt
so
gross
wie
die
Tenorflöte
in
C
und
so
weiter.
Unser
drei
Meter
großer
Subcontrabass
ist
tatsächlich
eines
von
nur
drei
weltweit
existierenden
Instrumenten
gleicher
Bauart.
Der
Gründer
unseres
Ensembles
-Paul
Leenhouts-
hat
zusammen
mit
der
Blockflötenbauerin
Adriana
Breukink
das
Instrument
entworfen;
diese
Blockflöte war übrigens früher einmal ein österreichischer Birnbaum.
RG: Seit wann gibt es das Ensemble und wie wurde es gegründet?
AS:
Royal
Wind
Music
wurde
1997
von
Paul
Leenhouts
als
Projekt
am
Konservatorium
in
Amsterdam
ins
Leben
gerufen.
Er
hat
dort
unterrichtet
und
seinen
besten
Studenten
die
Möglichkeit
des
Ensemblespiels
gegeben.
Mittlerweile
sind
natürlich
viele
der
damaligen
Studenten
fertig
mit
dem
Studium,
aber
auch
heute
noch
als
harter
Kern
ein
Teil
des
Ensembles.
Dies
war
auch
die
Vision
Pauls,
dass
sich
Royal
Wind
Music
zu
einem
professionellen
Ensemble
entwickelt
und
eine
große
Sammlung
von
Blockflöten
zur
Verfügung
steht,
so
dass
alle
Stimmen
durch
verschiedene
Flöten
gedoppelt
werden
können.
RG: Wie sind die einzigartigen Instrumente entstanden?
AS:
Die
meisten
der
Blockflöten
sind
nach
historischen
Originalvorlagen
entstanden,
der
große
Subcontrabass
hingegen
ist
gemeinsam
mit
der
Blockflötenbauerin
Adriana
Breukink
nach
Renaissance
–
Prinzipien
entworfen
worden.
Das
war
tatsächlich
zunächst
ein
Experiment:
Wenn
man
sich
die
Flöte
anschaut,
dann
sieht
man
beispielsweise
verschiedene
Bohrungen,
die
korrigiert
werden
mussten;
am
Ende
ist
aus
dem
Birnbaum
eine Blockflöte geworden.
RG:
Konzertreisen,
mittlerweile
vier
CD
Produktionen,
professionelle
Proben,
Programme
zusammenstellen: Das alles ist viel Arbeit, wie meistern Sie das?
AS:
Das
Ensemble
wurde
bis
2010
von
Paul
geleitet,
mittlerweile
ist
er
in
die
USA
gegangen.
Seit
zwei
Jahren
liegt
die
Verantwortung
also
ganz
bei
uns
selbst.
Zu
einem
Ensemble
gehört
natürlich
mehr,
als
die
Musik
und
das
Erstellen
der
Programme,
da
gibt
es
die
Finanzen,
wir
könnten
ohne
Sponsoren
nicht
überleben.
Bis
2012
wurden
wir
beispielsweise
vom
„Fonds
Podium
Kunsten“
gefördert.
Die
Anträge
müssen
geschrieben
werden;
die
Produktion,
die
Administration,
das
Reisen
mit
dreizehn
Musikern
erfordert
viel
Organisation
und
Planung.
Wir
hatten
eine
Zeit
lang
einen
Agenten,
organisieren
mittlerweile
aber
alles
wieder
selbst,
da
ist
jeder
gefragt.
Da
mit
Paul
auch
unser
Dirigent
gegangen
ist,
liegt
jetzt
auch
im
Konzert
mehr
Verantwortung
bei
jedem
Einzelnen.
Das
erfordert mehr Aktivität, ist aber auch sehr schön.
RG: Wieviel Konzerte spielen Sie im Jahr?
AS:
Mit
Royal
Wind
können
wir
dadurch,
dass
wir
auswendig
spielen
und
dadurch
nicht
so
viele
Programme
haben,
keine
vierzig
oder
fünfzig
Konzerte
im
Jahr
geben.
Dafür
sind
wir
auch
zu
groß
und
zu
speziell;
es
sind
um
die
zwanzig
Konzerte
mit
Royal
Wind.
Ich
spiele
noch
in
anderen
Ensembles;
einem
Barockensemble
und
zwei
Ensembles
mit
neuer
Musik.
Insgesamt komme ich so auf rund siebzig Konzerte im Jahr.
RG:
Mir
ist
aufgefallen,
dass
sich
alle
Musiker
viel
bewegen
und
auch
optisch
stark
mit
der
Musik „mitgehen“. Ist das gecoacht?
AS:
Nein,
das
kommt
ganz
natürlich.
Vor
allem,
wenn
man
auswendig
spielt,
hört
man
viel
besser,
was
in
anderen
Stimmen
passiert.
Dadurch
geht
man
mit
der
Musik
mit
und
lebt
die
Musik
auch
auf
der
Bühne.
Manchmal
ist
allerdings
schon
so,
dass
wir
sagen:
hier
etwas
weniger,
das
ist
zuviel;
oder
an
anderer
Stelle
etwas
mehr.
Denn
bei
polyphoner
Musik
kann
man
vom
Publikum
nicht
immer
erwarten,
dass
sie
die
Musik
sofort
durchschauen,
immerhin
hören
sie
das
Stück
oft
zum
ersten
Mal.
Dann
kann
man
durch
Bewegung
schon
auch zeigen: jetzt ist was los, jetzt kommt eine neue Stimme.
RG:
Ist
es
eine
große
Umgewöhnung
gewesen,
auf
den
Dirigenten
zu
verzichten?
Oft
hört
man
ja
Stimmen
von
Orchestermusikern,
dass
der
Dirigent
eigentlich
nicht
benötigt
wird,
was die Dirigenten naturgemäß anders sehen?
AS:
Wir
haben
nach
Pauls
Weggang
über
verschiedene
Modelle
nachgedacht:
Sollen
wir
uns
einen
neuen
Dirigenten
suchen,
sollen
wir
alles
selbst
machen
oder
mit
Gastdirigenten
arbeiten?
Am
Ende
ist
etwas
dazwischen
herausgekommen:
Wenn
wir
jetzt
ein
neues
Programm
machen,
können
wir
–je
nach
Projektbudget-
Gastdirigenten
zu
den
Proben
einladen.
Die
kommen
dann
zu
zwei
oder
drei
Probewochenenden
und
helfen
uns
zum
Beispiel
mit
ihrem
Wissen
über
das
Ensemblespiel,
über
Tuning
oder
den
Stil
der
Musik.
Daneben
übernimmt
bei
uns
jeweils
eine
wechselnde
Person
die
künstlerische
Verantwortung
für
ein
Stück
bei
den
Proben;
sie
hat
in
der
Probe
dann
auch
das
Sagen,
spielt
am
Ende
aber
wieder
als
Teil
des
Ensembles
mit
und
steht
nicht
als
Dirigent
davor.
Das funktioniert bisher sehr gut.
RG: Was ist –neben der Musik- Ihre Rolle?
AS:
Ich
bin
vor
vier
Jahren
zum
Ensemble
gekommen,
bin
mittlerweile
in
der
künstlerischen
Leitung.
Wenn
es
neue
Programme
gibt,
dann
bin
ich
dabei,
wenn
beschlossen
wird,
was
wir
machen.
Seit
einem
halben
Jahr
bin
ich
auch
im
Business
Board,
also
mit
anderen
für
die
organisatorischen
Dinge
verantwortlich;
mit
zwei
anderen
koordiniere
ich
die
Broschürenerstellung, organisiere Konzerte und so weiter.
RG:
Das
Konzert
hier
in
Oelinghausen
ist
ja
wahrscheinlich
auch
über
die
Verbindung
zur
Heimat zustande gekommen, oder?
AS:
Ja,
das
war
natürlich
mein
Kontakt.
Es
ist
aber
einfach
auch
sehr
inspirierend
hier
in
der Kirche zu spielen; es fühlt sich so an, dass man am richtigen Ort mit der Musik ist.
RG: Gibt es für Sie ganz persönlich eine Verbindung zwischen Musik und Religion?
AS:
Auf
jeden
Fall.
Ich
habe
das
ganz
stark,
wenn
ich
Musik
von
Bach
höre,
den
ich
als
sehr
religiösen
Komponisten
erlebe.
Man
hört,
dass
er
seine
Religion
in
der
Musik
lebt
und
das
ist
einfach
unglaublich
mitreißend.
Wir
spielen
ja
auch
sehr
viel
religiöse
Musik,
auch
vokale
Musik,
zu
der
eigentlich
Text
gehört.
Auch
wenn
Leute
heutzutage
vielleicht
nicht
mehr
den
Zugang
zur
Religion
haben,
kann
Musik
das
öffnen.
Wir
hatten
ein
Erlebnis
bei
einem
Festival
in
Österreich:
Da
haben
wir
von
Palestrina
eine
Motette
gespielt,
die
Musik
ist
unglaublich
powerful
und
überwältigend
emotional.
Nach
dem
Konzert
kam
eine
Frau
zu
uns
und
meinte,
dass
sie
eigentlich
kein
gläubiger
Mensch
sei;
aber
wenn
sie
höre,
wie
wir
Palestrina
spielen,
möchte
sie
eigentlich
ihre
Meinung
ändern.
Das
ist
natürlich
ein
tolles
Kompliment.
Das
fühlt
man
auch
auf
der
Bühne;
wenn
man
solche
Musik
spielt,
dann
kann
man
sich
den
Glauben
des
Komponisten
vorstellen:
Dass
man
so
schöne
Musik
schreiben
kann
zu
Ehren
Gottes.
Das
ist
unglaublich
mitreißend,
vor
allem,
wenn
man
mitten
drin
steht. Eine interessante Erfahrung.
RG:
Ist
dies
in
Ihrem
Empfinden
eine
rein
christliche
Verbindung
oder
ist
es
unabhängig
von
der
religiösen
Ausrichtung
deswegen
so
beeindruckend,
weil
es
eine
ehrliche,
direkte,
religiöse, persönliche Verbindung ist?
AS:
Es
ist
eher
das
zweite.
In
unserem
Ensemble
sind
Katholiken,
evangelische
Menschen,
Juden,
Menschen
ohne
Religion.
Dieses
Empfinden,
dass
wir
alle
auf
dieselbe
Art
und
Weise
mitgerissen
sind,
bringt
uns
und
auch
unsere
Götterbilder
zusammen.
Das
ist
eine
sehr
schöne
Erfahrung.
In
diesem
Sinne
sprechen
wir
alle
dieselbe
Sprache
durch
die
Musik,
egal woher wir kommen.
RG:
Ich
habe
vor
kurzem
mit
einem
Trommler
gesprochen,
der
sagte,
dass
die
Trommel
zu
ihm
spricht
und
sie
ihn
ab
einem
gewissen
Punkt
im
Konzert
mitnimmt.
Jetzt
nehme
ich
an,
dass
die
Flöte
für
Sie
auch
nicht
einfach
Totholz
ist.
Können
Sie
das
Empfinden
des
Trommlers nachempfinden?
AS:
Ja,
auf
jeden
Fall.
Jedes
Instrument
hat
einen
eigenen
Charakter
und
braucht
eine
andere
Behandlung.
In
manchen
Stücken
wird
man
einfach
mitgesogen.
Bei
den
großen
sechs-
oder
achtstimmigen
Motetten
spielt
das
Instrument
sich
fast
von
selber.
Vor
allem,
wenn man wie wir auswendig spielt, entsteht ein regelrechter Sog durch die Musik.
RG:
Was
ist
das
für
ein
Gefühl
mit
Ihrem
Ensemble,
mit
dem
sie
ja
nicht
bereits
Konzerte
in
ganz Europa und den USA gegeben haben, zurück in die sauerländer Heimat zu kommen?
AS:
Wir
sind
jetzt
das
zweite
Mal
hier.
Es
ist
ein
seltsames
Gefühl.
Amsterdam
ist
für
mich
eine
ganz
andere
Welt,
ein
anderes
Leben.
Und
wenn
das
Ensemble
auf
einmal
hier
ist,
wo
ich
zur
Schule
gegangen
bin,
wo
ich
meine
Kindheit
verbracht
habe,
dann
möchte
ich
am
liebsten
allen
zeigen,
wo
ich
was
erlebt
habe,
was
in
meiner
Kindheit
passiert
ist,
wo
ich
zur
Schule
gegangen
bin
…
Es
ist
schön,
wenn
Leute
sehen,
wo
man
herkommt
und
aufgewachsen
ist.
Umgekehrt
treffe
ich
hier
Menschen,
die
mich
aus
Abiturzeiten
noch
kennen
und
jetzt
sehen,
was
ich
mache.
Das
ist
schon
sehr
emotional,
aber
auch
schön,
diese beiden Welten zusammenzubringen.
RG:
War
es
für
Sie
eine
langsame
Entwicklung
hin
zur
Berufsmusikerin
oder
ging
damals
eines
Tages
in
Holzen
die
Sonne
auf
und
Sie
sind
aufgestanden
mit
dem
festen
Entschluss,
Profi – Musikerin zu werden?
AS:
Doch,
so
ungefähr
war
das.
Meine
Eltern
machen
beide
Musik,
mein
Vater
ist
Kirchenmusiker,
meine
Mutter
hat
Schulmusik
studiert,
so
war
Musik
bei
uns
immer
im
Haus.
Ich
habe
auch
ein
bisschen
auf
dem
Klavier
geklimpert
und
wie
alle
mal
Blockflöte
gespielt.
Ich
habe
aber
zunächst
lieber
tausend
andere
Sachen
gemacht,
als
Kind
hatte
ich
nicht
so
viel
Lust
auf
Musik.
Damals
fand
ich
Reiten
oder
Fußball
in
der
Holzener
Mädchenmannschaft
besser.
Mit
Fünfzehn
habe
ich
dann
angefangen
im
Chor
meines
Vaters
in
Münster
zu
singen;
da
waren
auch
viele
Berufsmusiker
und
dann
hat
sich
das
so
entwickelt,
dass
ich
wieder
ein
Instrument
spielen
wollte.
Zunächst
habe
ich
ganz
naiv
gedacht:
Klar,
Blockflöte,
das
ist
ja
einfach;
das
kannst
Du
dann
studieren.
Ich
habe
dann
aber
eine
sehr
gute
Lehrerin
gehabt,
die
mit
klar
gemacht
hat,
dass
es
genauso
ist,
als
wenn
man
Geige
oder
Klavier
studiert.
Dann
habe
ich
mich
in
zwei
Jahren
intensiv
auf
die
Aufnahmeprüfung
in
Münster
vorbereitet
und
auch
bestanden.
Von
Münster
bin
ich
dann
nach
Amsterdam
gegangen
und
dort
irgendwie
hängen
geblieben.
Es
war
also
eine
Entwicklung,
man
träumt
ja
immer
etwas
voraus
und
irgendwann
sieht
man:
Den
Traum
habe
ich
eigentlich
erreicht.
Und
so
entwickelt
sich
das;
die
Träume
und
die
Ziele
wachsen
natürlich stetig mit.
RG:
Dann
danke
ich
für
das
Gespräch,
wünsche
Ihnen
die
Erfüllung
der
wachsenden
Träume
und
Ziele;
zunächst
aber
eine
gute
und
vor
allem
sichere
Heimreise
nach
Amsterdam.
Die Website von Anna Stegmann:
www.anna-stegmann.com
… und von “The Royal Wind Music”:
www.royalwindmusic.org