Ein Sommernachtstraum
Gratwanderung zwischen Wahn und Wirklichkeit
Die
inszenierende
Intendantin
der
Ruhrtriennale,
Barbara
Frey,
bezeichnete
Shakespeares
Sommernachtstraum
als
„das
Stück
der
Stunde“.
In
Koproduktion
mit
dem
Ensemble
des
Burgtheaters
Wien
hatte
Frey
den
Plan,
dem
abgründigen,
auf
verworrenen
Pfaden
zwischen
Komödie
und
Tragödie
mäandernden
Stück
auf
den
Grund
zu
gehen
und
dem
Werk,
sich
und
dem
Publikum
die
Frage
zu
stellen,
ob
das
längst
Vergangene
uns
etwas
über
unsere
Gegenwart mitzuteilen hat.
William
Shakespeare
schrieb
das
Meisterwerk
um
das
Jahr
1595,
drei
Jahre
später
wurde
es
uraufgeführt
und
ging
im
Jahr
1600
erstmals
in
Druck.
Diese
Theater
gewordene
Feier
der
Fantasie
ist
eines
der
meistgespielten
Stücke
aller
Zeiten,
es
gibt
weltberühmt
gewordene
Inszenierungen
(und
Verfilmungen),
unzählige
Schul-
und
Laienspielaufführungen
und
gräusliche
Verhunzungen
der
Vorlage,
bei
denen
die
Verantwortlichen
sich
glücklich
schätzen
können,
dass
der
olle
William
sich
nicht
mehr
wehren
kann.
Entsprechend
gespannt
und
mit
einem
gerüttelt
Maß
an
prophylaktischer
Skepsis
besuchten
wir
bei
herrlichem
Sommer(nachts)wetter
die
Premiere
der
Frey/Ruhrtriennale
–
Version
des
Werkes,
das
mit
ein
paar
Minuten
Verspätung
begann.
Mit
dabei
ein
Publikum
in
Premierenlaune,
darunter
zahlreiche
Vertreter
des
Landtages
und
der
Herr
Ministerpräsident,
der
im
Anschluss
gemeinsam
mit
der
Intendantin
Barbara
Frey
noch
die
Premierenfeier
schmeißen
durfte
und
dort
eine
erfreulich
kurze,
aber
ansonsten
wenig
spannende
Rede
aus
dem
Berufspolitikerredenlager
hielt.
Und
selbstredend
hatte
Frey
recht,
als
sie
in
ihrer
Rede
Herrn
Wüst
widersprach
und
feststellte,
dass
es
Politiker
sind,
die
Antworten
geben
müssen,
Shakespeare
jedoch
nicht
-
wie
von
Wüst
geäußert
-
Antworten
präsentieren
wollte,
sondern
eher darauf bedacht war, (andere) Fragen zu stellen.
In
der
altehrwürdigen
Kraftzentrale
des
ehemaligen
Hüttenwerkes
auf
dem
Gelände
des
Landschaftsparks
Duisburg-Nord
(„LaPaDu“)
sollte
nun
also
Shakespeares
Feier
der
Mittsommernacht
und
die
Hochzeit
des
Fürstenpaares
Theseus
und
Hippolyta
in
einem
Wald
bei
Athen
von
statten
gehen,
in
dem
dann
gleich
mal
die
ortansässigen
Geister
geweckt
werden.
Bei
den
Oberelfen
Oberon
und
Titania
fliegen
die
Fetzen,
es
wird
ein
Theaterstück
geprobt
als
„Stück
im
Stück“,
Liebespaare
lieben
sich
dank
eines
Zaubertropfens
plötzlich
kreuz
und
quer
durcheinander
und
der
Erdgeist
Puck
bringt
den
Rest
an
Ordnung
ins
Wanken und alle anderen Akteure durcheinander.
Tatsächlich
spiegelten
sich
die
aufregenden
„Stimmungsschwankungen“
der
Textvorlage
in
der
Frey
-
Inszenierung
in
einer
fulminanten
Unberechenbarkeit
und
einem
stets
drohenden
Kontrollverlust
der
handelnden
Personen.
Zuneigung
wurde
zu
Abscheu,
zumindest
in
der
Be-
und
Umsetzung
wurde
Mann
ohnehin
stets
zu
Frau
und
andersherum,
gegenseitiges
Desinteresse
zur
wilden
Leidenschaft,
Wahn
und
Wirklichkeit
verschwommen
und
wir
erinnerten
uns
zurück
in
die
Zukunft,
denn
wir
wussten
um
den
Schlusshinweis
von
Puck
an
das
Publikum,
wenn
das
Stück
nicht
gefallen
habe,
all
das
Gesehene
einfach
als
Traum zu betrachten.
Jedoch:
Dieser
Sommernachtstraum
in
der
natürlich
restlos
ausverkauften
Kraftzentrale
gefiel
uns
ausgesprochen
gut,
über
pausenlose
2
Stunden
20
Minuten
nervte
lediglich
die
furchtbare
Bestuhlung
in
der
Kraftzentrale.
Dafür
begeisterte
die
straffe
Inszenierung,
die
den
Verstrickungen
ausreichend
Zeit
–und
auf
der
großen
Drehbühne
auch
den
nötigen
Raum-
gibt,
um
sich
zu
entwickeln.
Modern
und
manchmal
wild
inszeniert,
aber
ohne
mit
der
bei
anderen
Produktionen
leider
zu
oft
verwendeten
holzhammermodernen
dramaturgischen Brechstange dem Original den Zauber zu nehmen.
Die
(Live-)
Musik
von
Josh
Sneesby
passte
dem
Stück
wie
angegossen,
der
Wald
bei
Athen
wurde
zu
einem
Wald/Schrottplatz
–
Crossover
mit
vor
sich
hin
rostenden
Autowracks,
die
Kostüme
sind
im
für
derlei
Produktionen
erwartbaren
Rahmen
wohldosiert
provokativ
und
überraschen
eher
durch
demonstrative,
„aufreizende“
Biederkeit,
was
hier
durchaus
positiv
gelesen
werden
darf.
Sound
und
Licht
waren
gut,
sowohl
in
der
sicht-
und
hörbaren
Qualität,
als
auch
im
richtigen
Einsatz,
der
das
Geschehen
angemessen
unterstreichen
konnte,
ohne
selbstbezogen
zu
werden.
In
den
hinteren
Tribünenreihen
musste
jedoch
ein
Zuschauer
sein
Hörgerät
zunächst
nachjustieren,
ein
anderer
teilte
mit,
dass
er
ohne
Brille
die
in
der
Halle
angezeigten
Untertitel
nicht
lesen
könne.
Offenbar
konnten
diese
Herausforderungen
jedoch
rasch
gelöst
werden,
zumindest
hörten
wir
kein
weiteres
Murren
mehr
und
freuten
uns
über
die
Chance,
dass
wir
dank
der
englischsprachigen
Untertitel
die
Schönheit
der
Sprache
gleich
doppelt
genießen konnten.
Dorothee
Hartinger
chaotisierte
das
Geschehen
als
Puck
in
herausragender
Weise,
Markus
Scheumann
und
Sylvie
Rohrer
spielten
ihre
jeweiligen
„geschlechtsverschränkten“
Doppelrollen
(Scheumann
als
Theseus
&
Titania
und
Rohrer als Hippolytha & Oberon) eindringlich und facettenreich.
Es
hätte
ein
oberlehrerhaftes,
pseudomodernes
zeitgeist-andienendes
Machwerk
werden
können
auf
der
Bühne
der
Kraftzentrale.
Dann
hätten
wir
mit
Titania
gesagt: „Elfen, wir gehen, ich hab es kommen sehn…“
Doch
entstanden
ist
eine
feinsinnige
Inszenierung
mit
viel
Witz
und
Tragik,
bei
der
beides
glaubwürdig
blieb
und
-das
bleibt
bemerkenswert
und
hochlobenswert-
hinter
den
Tränen
und
dem
Lachen,
hinter
den
Verirrungen
und
Verwirrungen
im
Schrottplatzwald
-manchmal
nur
schemenhaft-
stets
mehrere
weitere
Ebenen
der
Irrgänge
und
Erkenntnismöglichkeiten
lauern.
Kleinere
Fehler
fielen da nicht weiter ins Gewicht.
Fazit:
Diese
Mittsommernachtswelt
ist
mehrfach
„tiefgründig“
unterkellert
und
bleibt
von
der
vordersten
Handlungsebene
bis
zum
spekulativen
Kopf-
und
Gefühlskino
stets
spannend,
auch
wenn
jeder
im
Publikum
weiß,
wie
es
ausgeht.
So
spoilern
wir
nicht,
wenn
wir
diesen
Bericht
mit
den
sensiblen
Worten
des
Puck
beenden: „Jeder Hengst kriegt seine Stute – alles Gute.“
Alle aktuellen Informationen zur Ruhrtriennale finden sich hier:
https://ruhrtriennale.de/
(c) Matthias Horn
(c) Matthias Horn
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