RuhrGesichter Die schwedischen Symphonic-Metaller rund um Mastermind Christofer Johnsson begaben sich nach langer Zeit endlich mal wieder auf große Reise und machten für eine Show auch in heimischen Ruhrpott-Gefilden Halt.

Therion live                                                          

Der Leviathan tobte in Oberhausen

Die   vielköpfige   Ausnahmeband   Therion   war   seit   der   letzten   Visite   im   Jahr   2018 endlich    wieder    auf    Tour    und    hat    nun    im    Resonanzwerk    Oberhausen    dafür gesorgt,   dass   es   auf   der   Bühne   voll   wurde   und   die   Fans   ein   angemessenes Metalbrett   auf   die   Ohren   bekamen.   Im   Gepäck   hatten   sie   den   musikalischen Höhepunkt   und   Abschluss   ihrer   Leviathan   Trilogie,   Leviathan   III.   Das   Album   ist nicht   nur   ein   Finale,   sondern   markiert   gleichzeitig   den   Beginn   von   etwas   Neuem: Nach   rund   30   Jahren   bei   Nuclear   Blast   ist   dies   das   erste   Album   unter   dem   Dach des neues Zuhauses beim Label Napalm. Doch   auch   Leviathan   I   und   II   konnten   bislang   nicht   angemessen   mit   Konzerten vorgestellt    werden:    Beim    ersten    Teil    nervte    ein    Virus    die    ganze    Welt    und Konzerthallen   wurden   abgesperrt,   und   wo   dies   nicht   geschah,   mussten   Fans soviel   Abstand   halten,   dass   ein   ordentliches   Metal   Konzert   verunmöglicht   wurde. Bei   Leviathan   II   nervte   offensichtlich   kein   Virus,   aber   der   Booking   Agent   der Band,    so    dass    nur    drei    Konzerte    in    Europa    gespielt    werden    konnten. Entsprechend    neu    aufgestellt    reist    man    nun    ausgiebig    durch    Lateinamerika, China   und   spielt   satte   dreißig   Shows   in   Europa.   Ein   endliches   Vergnügen,   denn Christofer   Johnsson   hat   bereits   angekündigt,   dass   man   künftig   deutlich   weniger Konzerte in Europa spielen werde. Also   begaben   wir   Ruhrgesichter   uns   gemeinsam   mit   weiteren   äußerlich   oder innerlich   langhaarigen   Mitstreitern   ins   Resonanzwerk,   ursprünglich   übrigens   eine 1922   erbaute   Werkstatthalle   für   die   Zeche   Oberhausen   ½,   die   nach   Stilllegung der   Zeche   nicht   still,   sondern   laut   wurde   und   schon   seit   vielen   Jahren   einen gemütlichen Rahmen mit Industriecharme für „kleinere“ Konzerte bietet. Bei   einer   recht   überschaubaren   Location   wie   dem   Resonanzwerk   erwarteten   wir keinen   Bühnengraben   und   hatten   uns   bereits   auf   den   üblichen   Club-Nahkampf eingerichtet:    Typischerweise    ist    das    Knipsen    von    ein    paar    angemessenen Konzertfotos   dann   eine   Herausforderung,   wenn   der   arme   Fotograf   versuchen muss, sich mit dem Kopf die verschwitzte Achsel des die Hände zur Pommesgabel erhobenen    Metallers    neben    sich    vom    Leib    zu    drücken,    gleichzeitig    mit    dem rechten   Knie   die   springende   Bande   zur   anderen   Seite   auf   Abstand   zu   halten   und irgendwie    dann    die    Kamera    halberlei    ruhig    Richtung    Bühne    auszurichten, während     von     hinten     eine     Langhaarschädel     rhythmisch     auf     den     armen Pressenacken   einhämmert.   Die   Ergebnisse   sind   dann   zwar   nicht   schön,   aber authentisch. Oder so. Doch   im   Resonanzwerk   fanden   wir   neben   einer   freundlichen   Resonanz-Crew einen    Bühnengraben    und    auch    ansonsten    sehr    feine    Bedingungen    vor.    Die fröhliche   Metalsause   war   top   organisiert,   entsprechend   vorfreudig   fanden   nach und nach Fans den Weg in die Halle. Einen    Steinwurf    entfernt    spielten    am    gleichen    Abend    Amaranthe    in    der Turbinenhalle   zum   Tanz   auf;   dies   mag   einer   der   Gründe   gewesen   sein,   warum das    Resonanzwerk    bei    weitem    nicht    ausverkauft    war.    So    viel    vorab:    Dieser bemerkenswerte Abend hätte mehr Zeugen verdient gehabt. Dem   bunten   Metal-Reigen   aus   dem   Hause   Therion   voraus   ging   ein   Auftritt   der kroatischen   Band   Keops,   die   musikalisch   eher   irgendwo   zwischen   Hardrock   und Metal   zu   verorten   sind,   gelegentlich   weht   ein   Hauch   von   80er   Metal   durch   das Resonanzwerk,   auch   Inspirationen   von   Iron   Maiden   lassen   sich   gelegentlich   aus den   kompakten,   guten   Songs   heraushören.   Das   Ganze   gelingt   technisch   versiert, musikalisch     vielseitig     und     durchaus     mit     Anspruch,     sehr     gutem     Sänger, erstklassiger   Gitarrenarbeit   und   einer   offensiven   Bühnenpräsenz   der   Herrschaften auf   den   Brettern.   Kurzum:   Das   Gesamtpaket   kam   in   Oberhausen   sehr   gut   an   und wenn   man   den   Musikgeschmack   von   Christofer   Johnsson   ein   wenig   kennt,   weiß man, warum er Keops schätzen wird. Danach   wurde   es   Zeit   für   Therion,   die   ein   großartiges   Set   quer   durch   die   Alben ihrer   sehr   lange   Schaffenszeit   mitgebracht   hatten   und   mit   Blood   of   Kingu   und Ruler   of   Tamaq   eröffneten.   Da   der   Maestro   nicht   ständig   mit   großem   Orchester und    Chor    touren    kann,    sind    Shows    mit    großem    Besteck,    wie    zuletzt    die ausverkaufte   Arena   Show   in   Mexico   City,   absolute   Highlights   für   Fans   und   Band. Im    Rahmen    der    Welttournee    wird    ansonsten    auf    die    im    Symphonic–    oder Operatic-Metal   üblichen   Orchester   Einspielungen   zurückgegriffen;   alles   andere wäre   natürlich   nicht   finanzier-   und   organisierbar.   Was   uns   gut   gefallen   hat:   Die Orchester   Einspieler   wurden   tatsächlich   ausschließlich   dort   eingesetzt,   wo   sie   für den   jeweiligen   Songcharakter   unabdingbar   waren,   ansonsten   herrschte   echte Live-Atmosphäre.   Alles   andere   wäre   angesichts   der   auf   der   Bühne   versammelten Ausnahmestimmen und -musiker auch völlig unnötig. Therion   hatten   dieses   Mal   auch   die   Sängerin   Lori   Lewis   im   Gepäck,   die   erstmals seit   2014   wieder   mit   der   Band   auf   einer   deutschen   Bühne   stand.   Lori   konnte   als wundervoller   Sopran   erneut   überzeugen   und   hat   das   Resonanzwerk   Oberhausen in   passende   Schwingung   versetzt.   Christofer   Johnsson,   der   den   Gesang   seit Ewigkeiten   (fast)   ausschließlich   denen   überlässt,   die   tatsächlich   singen   können (in   diesem   Fall   vor   allem   dem   großartigen   Thomas   Vikström,   der   coolsten   und gleichzeitig     vielseitigsten     Bühnensängerin     Rosalia     Sairem     und     eben     der       wundervollen   Lori   Lewis)   und   sich   live   auf   seine   Gitarre   konzentriert,   hat   auch mit    Nalle    “Grizzly”    Påhlsson    am    Bass    und    dem    Trommler    Sami    Karppinen herausragende   Musiker   im   Team,   die   Altes   und   Neues   aus   dem   seit   der   Gründung 1987    beachtlich    angewachsenen    Therion    –    Katalog    angemessen    in    das Resonanzwerk blasen konnten. Denn   musikalisch   geht   es   nach   „Abschluss“   der   frühen   Death   Metal   Zeiten   sehr abwechslungsreich,   orchestral   und   oft   auch   ausgesprochen   anspruchsvoll   und komplex   zu   Werke.   Nicht   nur   die   Orchestrierung   und   die   Arrangements,   auch   die Kompositionen   entfernen   sich   seit   langem   oft   von   klassischen   Metal-Songwriting- Strukturen.   Der   Startschuss   der   genreprägenden   Therion   Musik,   die   Fans   in   aller Welt   heute   kennen   und   lieben,   fiel   bereits   1996   mit   dem   Album   Theli,   welches der    Band    international    Beachtung    einbrachte.    Seitdem    war    neben    dem symphonischen    Stil    die    stetige    Umbesetzung    der    Band    rund    um    Christofer Johnsson   die   einzige   Konstante,   wobei   sich   über   die   Jahre   eine   Art   Kernband herauskristallisiert   hat;   bei   diesem   Kommen   und   Gehen   gibt   es   jedoch   von   Zeit   zu Zeit ein Wiedersehen mit „alten Bekannten“. Dieses    Vorgehen    hat    den    unbestreitbaren    Vorteil,    dass    das    Mastermind    die eigenen   kreativen   Ideen   umsetzen   kann,   ohne   diese   durch   Kompromisse   zu verwässern    und    selbst    bestimmt,    wann    er    welchem    seiner    Mitstreiter    das musikalische   Szepter   vorübergehend   in   die   Hand   drückt;   das   gelingt   manchmal opulent   und   grenzenlos   verspielt   wie   beim   Opus   Magnum   „Beloved   Antichrist“, das   beim   Konzert   in   Oberhausen   keine   große   Rolle   spielte,   oder   eher   straight   wie bei der aktuell vorliegenden Leviathan Trilogie. Der     Kapellmeister     höchstselbst     ist     nicht     nur     beim     kompositorischen Schaffensprozess,   sondern   auch   auf   der   Resonanzwerk   -   Bühne   Herr   im   Ring, obwohl   er   nicht   (mehr)   singt   und   große   Teile   der   Bühnenshow   seinen   Mitstreitern überlässt.   Lediglich   zum   Ende   des   Konzertes   ergreift   er   das   Mikro   für   eine   kleine Ansprache:   Es   sei   an   diesem   Abend   wie   bei   einer   Party,   bei   der   wenig   Leute kommen:   Dann   gäbe   es   halt   mehr   Bier   für   die   Anwesenden.   Im   Resonanzwerk gäbe es halt jetzt mehr Therion für jeden Fan. So kann man es auch sehen…   Birth   of   Venus…,   Tuonela,   das   bockstarke   Twilight   of   the   Gods   mündeten   in Oberhausen   in   eine   Überraschung:   Mit   Mon   Amour   mon   Ami   fand   ein   Song   vom Album   Le   Fleurs   du   Mal   aus   dem   Jahr   2012   den   Weg   auf   die   Setlist,   bevor   es   mit La Maritza, Leviathan, Asgard und MorningStar/Black Diamonds weiterging. Obwohl   die   Band   im   Rahmen   ihrer   Welttournee   bei   den   kürzlichen   Auftritten   in Südamerika    völlig    andere    Fanscharen    gewohnt    war,    gab    sie    im    nicht    gut besuchten    Resonanzwerk    wirklich    alles.    Das    erschien    uns    nicht    nur    als Professionalität   im   Sinne   eines   „wir   sind   Profis,   wir   ziehen   das   jetzt   durch“, sondern   die   Band   strahlte   eine   unfassbare   Spielfreude   und   Lust   auf   Mucke   aus, interagierte     gut     aufgelegt     miteinander     und     dem     Publikum.     Fast     nicht nachvollziehbar,     war     dieser     Gig     doch     ein     kleiner     (und     der     kleine Betriebswirtschaftler    im    Rocker    dürfte    den    Taschenrechner    angesichts    eines Blickes   auf   Kosten   und   Einnahmen   zerbissen   haben)   Auftritt   in   einer   langen   Reihe von   Konzerten;   dieses   Wissen   beiseite   geschoben   wirkte   die   Band   jedoch   über zwei   Stunden   wie   beim   größten   Auftritt   ihrer   Karriere.   Hut   ab,   Chapeau,   die Ruhrgesichter   verneigen   sich.   Gleiches   gilt   übrigens   für   die   Bühnenpower   von Keops. Klasse! Ginnungagap   ist   uns   Lieblingswort   nach   sieben   Bier   und   war   im   Set   der   nächste Song,   gefolgt   von   Litany   of   the   Fallen,   der   umwerfenden   Uralt-Kamelle   Siren   of the   Woods,   Aeon   of   Maat   und   dem   fröhlichen   Tauchgang   Lemuria.   Sitra   Ahra, Quetzalcoatl,   Eye   of   Algol   folgten   und   Son   of   the   Staves   beendete   das   Konzert. Der   Sound   über   die   rund   zwei   Stunden   Therion   Set   im   Resonanzwerk   war   (fast) immer   kristallklar,   was   bei   den   Rahmenbedingungen   nicht   selbstverständlich   ist, das    Licht    war    unspektakulär    wie    der    Rest    der    Bühne.    Halt    eine    kleine Clublocation;    niemand    hat    erwartet,    dass    Therion    bei    Iron    Maiden    einen ausrangierten   Bühnenaufbau   shoppen   gehen.   Von   den   Fans   frenetisch   gefeiert und   zurückbeordert   kamen   die   Damen   und   Herren   im   Auftrag   des   großen   Tieres zurück   und   feuerten   Rise   of   Sodom…   und   natürlich   To   Mega   Therion   ins   Rund. Die    beiden    Songs    waren    erwartbar    weitere    Höhepunkte    des    Konzerts,    die metallischen   Kirschen   auf   der   symphonischen   Sahne.   Dann   war   Abpfiff   und   ein denkwürdiger,   begeisternder   Abend   in   Oberhausen   fand   in   der   Folge   noch   ein gemütliches Ende. Danke, Keops. Danke Therion.
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